May You Live In Interesting Times
Die Langeweile im Wandel der Bildkulturen des (post-)sowjetischen Litauen
DOI:
https://doi.org/10.17892/app.2024.00018.335Schlagworte:
Tomas Andrijauskas, Antanas Sutkus, Aleksandras Ostašenkovas, Julio Garcia Espinosa, Litauen, Ästhetik der Langeweile, 1990er Jahre, Nihilismus, Litauische Schule für Fotografie, soziale Landschaftsfotografie, sowjetischer Alltag, Ruinen, VerfalAbstract
Ziel des Aufsatzes ist es, das sich wandelnde Phänomen der Langeweile im (post)sowjetischen Litauen, das sich in den Bildkulturen der letzten sowjetischen Generation Litauens widerspiegelt, auf sein dekoloniales Potenzial hin zu untersuchen. Durch eine Textanalyse wird die Langeweile als ein Nebenprodukt der Moderne positioniert, das aufgrund der übermäßigen Abhängigkeit der Sowjetunion von einer einzigen Meistererzählung für die Produktion von Bedeutung eine zentrale, wenn auch zweideutige Rolle in der sowjetischen Gesellschaft spielte. Der Text zeigt weiter auf, wie Langeweile in der Sowjetunion als antisoziale Praxis angesehen wurde und gleichzeitig teilweise vom Staat selbst verursacht wurde, was letztlich zu seinem Untergang beitrug. Die litauische Bewegung der sozialen Landschaftsfotografie wird als ein Beispiel für eine kulturelle Produktion untersucht, die mit Hilfe der Ästhetik der Langeweile die herrschende Meistererzählung kritisierte und die Produktion von Bedeutung als eine Produktion von Bedeutungslosigkeit sowohl seitens des Staates als auch der Fotokunst entlarvte. Anhand einer Lektüre von Tomas Andrijauskas' Filmen sowie Gesprächen mit dem Regisseur reflektiert die Autorin den Übergang von der sowjetischen Langeweile zum postsowjetischen Nihilismus im Litauen der 1990er Jahre. Anhand der Produktion und Verwendung von Andrijauskas' Kurzfilmen Gamyklos ir mes / Fabriken und wir (1992, Litauen) und SO (1996, Litauen) wird der Nihilismus als Versuch definiert, die Idee einer Meistererzählung zu zerstören, und geht über die Kritik an einer bestimmten Art der Sinnkonstruktion hinaus. In Andrijauskas' Filmen wird der Nihilismus als eine Technik verstanden, die es dem Filmemacher ermöglicht, sowohl die Idee der ‘bedeutungsvollen’ Zeit im Sinne ihrer zukunftsorientierten utopischen Dimension als auch den ‘bedeutungsvollen’ Raum zu dekonstruieren, indem er die wahrgenommene Machtverteilung zwischen Zentrum und Peripherie aufbricht. Darüber hinaus enthält der Artikel Anmerkungen zu den künstlerischen Recherchen der Autorin, die zu dem experimentellen Kurzfilm May You Live in Interesting Times (2022) führten, der das Werk von Tomas Andrijauskas in bewegten Bildern rekontextualisiert und auf einem Manifest basiert, das der Vater des Regisseurs, Ugnius Ratnikas, und zwei seiner Freunde während des gescheiterten Putsches in Moskau im August 1991 verfasst hatten.
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