Über Ruinen, Trümmer und die Geister der einer Vergangenheit
Die Zeitlichkeit der Katastrophe im Film “Aral, Fishing in the Invisible Sea”
DOI:
https://doi.org/10.17892/app.2023.00017.334Schlagworte:
Imperiale Geister, Aralsee, Umweltzerstörung, Sowjet-Kolonilusmus, Postsozialistische Zeitlichkeit, imperial formation, Hauntologie, EcocritcismAbstract
Dieser Artikel untersucht die Zeitlichkeit von Katastrophen anhand der filmischen Darstellung der Zerstörung des Aralsees in Aral, Fishing in the Invisible Sea (Saodat Ismailova und Carlos Casas, 2004, Usbekistan). Indem der Film dem Leben drei Generationen existenzbedrohter, usbekischer Fischer folgt, untersucht er die Folgen des gescheiterten sowjetischen Agrarprojekts. Ausgehend von der Idee, dass das Imperium eine "haunting structure” (del Pilar Blanco and Peeren 2013) ist, betrachtet der Artikel das filmische Bild der Aralsee-Katastrophe als "theoretisches Objekt" (Bal 2015: 133), das die Untersuchung der beschädigten Beziehung zwischen der lokalen Bevölkerung und ihrer Umwelt ermöglicht. Dabei stützt sich der Artikel auf Derridas Idee der “hantologie” (Derrida 2006) und enthüllt die komplexe Ansammlung von Geistern und Geschichten, die die Landschaft am Aralsee prägen, die gleichzeitig vom vergangenen kolonialen Streben, die Natur zu formen, gescheiterten Vorstellungen einer sozialistisch-industriellen Zukunft und dem zeitgenössischen, globalen Kapitalismus beeinflusst ist. Entscheidend ist, dass die Zerstörung des Aralsees die besondere Rolle der sozialistischen Moderne innerhalb des allgemeinen Projekts der westlichen Moderne aufzeigt. So hat die sowjetische Ideologie die westliche Idee des Fortschritts bis an deren Grenzen getrieben und ein sozialistisches Subjekt geschaffen, das von der Zukunft besessen ist. Daher bewegt sich ein postsozialistisches Subjekt "against the flow of time" und "enters the present [the neoliberal modernity] from the future" (Groys 2018: 201). Infolgedessen wird der ausgetrocknete Aralsee, der auch als eine Grenze zwischen den zwei Staaten Usbekistan und Kasachstan fungiert, in Aral, Fishing in the Invisible Sea zu einem Bild für das ungewisse Leben zwischen Vergangenheit und Zukunft. Schließlich zeigt dieser Artikel, wie die mehrdeutige Zeitlichkeit der Aral-Katastrophe eine filmische Landschaft in ein Schlachtfeld zwischen verschiedenen Zeitebenen verwandelt und gleichzeitig die Möglichkeit eröffnet, die Verbindung zu dem geschädigten Land neu zu erfinden.
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