Kinemologie oder die Wissenschaft der Bewegung. Ein vergessenes Projekt der GAChN
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https://doi.org/10.17892/app.2017.0005.81Schlagworte:
Vasilij Kandinskij, Aleksej Sidorov, Aleksandr Larionov, Natal’ja Tian, Gret Palucca, die Kunst der Bewegung, Choreologie, Kinemologie, Tanz, Komposition, Konstruktion, Taylorismus, Synästhesie, Russische Akademie der KunstwissenschaftenAbstract
Vasilij Kandinskijs Plan für das Institut der Wissenschaftskultur, welches den Grundstein für die Russische Akademie der Kunstwissenschaften (RAChN, nach 1926 Staatsakademie oder GAChN) bildete, legte besonderen Wert auf das Studium der Bewegung und des Tanzes. Als Kandinskij Ende 1921 auswanderte, hinterließ er in Moskau gleichgesinnte Kollegen, die dazu bereit waren, sein auf die wissenschaftliche Untersuchung der Bewegung und des Tanzes ausgerichtetes Programm zu implementieren. Im darauffolgenden Frühjahr wurde das Choreologische Laboratorium gegründet. Wichtigster Initiator war der Kunstwissenschaftler Aleksej Sidorov, die erste Leiterin die Tänzerin Natal’ja Tian, und der produktivste Wissenschaftler der Mathematiker, Philologe und Fotograf Aleksandr Larionov. Nach dem ursprünglichen, nicht sehr erfolgreichen Versuch das Laboratorium ins Leben zu rufen, schlugen Sidorov und Larionov eine Alternative zum Choreologie-Projekt vor, eine Wissenschaft der Bewegung im Allgemeinen sowie ihrer zahlreichen Variationen, darunter die Bewegung im Tanz und im Kino, welche sie als “Kinemologie” bezeichneten. Sie planten das Labor zu erweitern, indem sie daraus eine “Abteilung” machten, auf gleicher Höhe mit den etablierten Bereichen der Akademie wie z.B. der Literatur-, der Musik- und der Theaterabteilung. Die Kinemologie-Abteilung sollte aus drei Teilen bestehen: Choreologie, Kinematografie und Rhythmus-Plastizität (ritmoplastika). Verschiedene Arten von Bewegung sollten untersucht werden: Tanz, Gymnastik und Sport, Arbeitsvorgänge und Bewegungen im Alltag, sowie die Darstellung von Bewegung in Kunst, Film und Fotografie. Das Projekt wurde jedoch nicht vollständig verwirklicht. Der Begriff “Kinemologie” konnte sich nicht durchsetzen und bald darauf kam auch die parallele Bezeichnung “Kunst der Bewegung”, die in den frühen Jahren der Akademie üblich gewesen war, aus dem Gebrauch. Trotzdem lebte die Kunst der expressiven Bewegungen noch eine Zeitlang in Tanz, Fotografie und Kino der Avantgarde weiter.
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